Der Fall betrifft einen Mann, der sich im April 2023 wegen einer ängstlich-depressiven Symptomatik freiwillig in eine Aargauer Klinik begeben hatte und sich dort nach knapp drei Wochen das Leben nahm. Die Staatsanwaltschaft stellte die Untersuchung ein, weil sie keine Sorgfaltspflichtverletzung des Klinikpersonals erkennen konnte. Die Ehefrau des Verstorbenen wehrte sich gegen diese Entscheidung und verlangte weitere Abklärungen, wurde jedoch vom Aargauer Obergericht abgewiesen.
Das Bundesgericht hat nun die Beschwerde der Witwe gutgeheißen und eine Wiederaufnahme der Untersuchung angeordnet. Es kritisiert, dass bisher lediglich ein rechtsmedizinisches Gutachten erstellt wurde, obwohl ein von der Witwe eingereichtes psychiatrisches Privatgutachten zahlreiche Hinweise auf ein erhöhtes Suizidrisiko des Patienten aufzeigte. Dieses Gutachten nannte konkrete Risikofaktoren wie Hoffnungslosigkeit, Schlafstörungen, geringes Selbstwertgefühl und innere Spannungsgefühle, die vom Klinikpersonal möglicherweise nicht ausreichend beachtet wurden.
Besonders kritisch sieht das Bundesgericht auch die während des Klinikaufenthalts vorgenommene Medikamentenumstellung von Temesta auf Quetiapin in niedriger Dosierung. Das Privatgutachten warf zudem die grundsätzliche Frage auf, ob angesichts der psychischen Instabilität des Patienten nicht eine psychiatrische statt einer psychosomatisch-psychotherapeutischen Behandlung angemessener gewesen wäre. Das Bundesgericht ordnete daher an, dass ein psychiatrisches Fachgutachten eingeholt werden muss, um zu klären, ob die Klinik die Suizidgefahr korrekt eingeschätzt hat und ob die gewählte Behandlung den medizinischen Standards entsprach.