Ein abgewiesener Asylbewerber, der wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagt ist, muss nach mehr als zwei Jahren Haft freigelassen werden, falls die Staatsanwaltschaft nicht bis Mitte November 2025 Anklage erhebt. Der Mann soll im Juli 2023 am Bahnhof mit einem Messer auf einen Mitbewohner eingestochen und ihm schwere Verletzungen zugefügt haben. Seither befindet er sich in Haft. Das Bundesgericht hat nun entschieden, dass die Staatsanwaltschaft das Beschleunigungsgebot in Haftsachen schwer verletzt hat.
Besonders problematisch ist, dass das Strafverfahren seit Januar 2024 – also seit 18 Monaten – vollständig zum Stillstand gekommen ist. Die Strafuntersuchung war zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen, doch die Staatsanwaltschaft hatte trotz mehrfacher Ankündigungen keine Anklage erhoben. Obwohl der Fall laut Gericht zwar umfangreich, aber nicht besonders komplex ist, und der Beschuldigte nichts zur Verzögerung beigetragen hat, blieb die Behörde untätig.
Das Bundesgericht betont in seinem Urteil, dass bei einer solch schweren Verletzung des Beschleunigungsgebots konkrete Massnahmen ergriffen werden müssen. Es weist die Staatsanwaltschaft an, nun umgehend Anklage zu erheben oder das Verfahren einzustellen. Sollte bis zum 14. November 2025 keine Anklage erfolgen, muss der Mann freigelassen werden – notfalls unter Anordnung von Ersatzmassnahmen. Das Gericht stellt klar, dass auch bei einer schwerwiegenden Straftat wie versuchter Tötung die Verfahrensgarantien eingehalten werden müssen und eine überlange Verfahrensdauer nicht mit der zu erwartenden Strafe gerechtfertigt werden kann.